Ich bin der Ansicht, dass Erneuerbare Energien gemeinhin nur aus dem Grund in der Öffentlichkeit als teuer gelten, weil zur Bewertung ihrer Wirtschaftlichkeit unangemessene ökonomische Modelle verwendet werden.
Warum werden beispielsweise Kernkraftwerke, im Gegensatz zu Windrädern und Photovoltaikanlagen, als billige Stromlieferanten gelobt? Weil die Kostenbetrachtung an wesentlichen Teilen einfach abgeschnitten wurde:
Zum Beispiel bei den Entwicklungskosten: Diese werden bei der Ermittlung des Strompreises aus Kernkraft nicht betrachtet. Doch die Gesamtgesellschaft hat in den letzten 5 Jahrzehnten riesige Geldmittel in die Forschung und Entwicklung dieser Technologie gepumpt und tut es immer noch. Wenn jetzt dem billigen Nuklearstrom der teure Strom aus Erneuerbaren Energien gegenübergestellt wird, dann wird unterschlagen, dass die Kompensation der Stromerzeugung nach dem Erneuerbaren Energien Einspeisegesetz (EEG) zu einem nicht geringen Teil auch auf die Forschungs- und Entwicklungskosten zielt, die nötig waren, um die Erneuerbaren Energien zur Serien- und Marktreife zu bringen.
Hinzu kommt, dass die Kernkraftwerke bei uns schon längst abgeschrieben sind und am sogenannten goldenen Ende laufen. Das heißt, es gibt keinen Kapitaldienst mehr zu bedienen. Bis auf die Wartungs-, Brennstoff- und Betriebskosten sind keine weiteren Kosten zu erwirtschaften. Der Rest ist Ertrag für die Betreiber. Die müssen sich über ihre steuerfreien Rückstellungen hinaus weder um die sogenannte „Endlagerung“ des Abfalls kümmern, noch hinreichende Betriebsversicherungen übernehmen. Bei solchen Vorgaben kommt die kWh eines Kernkraftwerks dann immer noch auf Preise von 3-4 ct.
Was wäre, wenn wir die gleichen Rahmenbedingungen einmal für die derzeit populärste netzgebundene Technologie zur Stromerzeugung aus Erneuerbaren Energien in Deutschland - die Photovoltaik – annehmen würden? Stellen wir uns vor, wir hätten keinen Kapitaldienst mehr zu leisten. Nur noch Brennstoff-, Betriebs- und Wartungskosten sind zu leisten, damit die Anlagen Strom produzieren können. Dann kommen wir hier, nach Berechnung von Schott Solar, auf Stromgestehungskosten von unter 1 ct/kWh. Nutzen wir also das gleiche ökonomische Modell wie die Kernkraftbetreiber, ist selbst Strom aus Geothermieanlagen jetzt schon billiger als Kernkraftstrom!
Dass Kernkraftwerke oder Kohlekraftwerke noch heute als billige Stromquellen bezeichnet werden, hat wenig mit ökonomischer Vernunft zu tun, sondern mit anderen Mechanismen:
Ian McEwan hat sie in seinem Roman „Solar“ auf den Punkt gebracht. Sein Protagonist, der auf einer Energiekonferenz vor „kühlen Rechnern“ aus der Finanzwelt, „die sich nicht so leicht was vormachen lassen“, sprechen soll, muss feststellen:
„Trägheit und blinde Gewohnheit banden sie an ihre Vertrauten: Öl, Gas und Kohle“
Wie kann man diese Verzerrungen nun aufbrechen? Wie kann man bei den Entscheidern in Politik und Wirtschaft das Vertrauen stärken, dass Kreislaufwirtschaft und die Nutzung von Erneuerbaren Energien nicht nur aus ökologischer, sozialer und ästhetischer Sicht die bessere Wahl sind, sondern auch aus ökonomischer Sicht? Und gegeben der Fall, dass die Politiker dann verstanden haben, dass die ganzen Argumentationen aus volkswirtschaftlicher Sicht Sinn macht: Wie kann gewährleistet werden, dass diese Erkenntnisse dann in betriebswirtschaftliche Wahrheiten umgesetzt werden?
Hier gibt es für mich zwei Strategien, die auch immer meine beruflichen Tätigkeiten bestimmt haben:
Entweder müssen die etablierten Unternehmen davon überzeugt werden, das sie ihre Geschäftsmodelle so umstellen können, dass sie weiterhin mit Gewinn kreislauf-wirtschaften und erneuerbar-befeuern können (Deshalb meine Faszination für den GALLEHR+PARTNER® "Lotsen" Ansatz).
Oder es müssen Konkurrenzmodelle entwickelt werden, die eine vergleichbare Wertschöpfungskette Kreislauf-wirtschaftlich bzw. erneuerbar abdeckt. Daher meine Faszination für die WRE, Conergy und Econcern Modelle. Auch wenn diese Modelle bisher nicht aufgegangen sind, beobachte ich solche Ansätze weiterhin sehr interessiert und bin immer wieder bereit, meine Erfahrungen zum Erfolg eines solchen Ansatzes einzubringen.
Zusatz vom 13.08.2013:
Gerade in den letzten Jahren hat sich herusgestellt, dass die vorherrschende Konstruktion des Strommarktes kein adäquates ökonomisches Modell liefert, um die Energiewende zu schaffen. Tina Ternus hat in Ihrem Artikel "Das EEG-Umlage-Märchen" eine schöne Herleitung dieser Konstruktionsfehler und der daraus folgenden Erneuerbare-Sind-Teuer-Rhetorik dargestellt. Ein Zitat macht hieraus bringt es auf den Punkt:
"Simple Logik zeigt bereits, dass der pausenlos in den Medien zu hörende 1:1-Zusammenhang zwischen solarem Zubau und Umlagen-Wachstum rein aufgrund der ausbezahlten Vergütungssummen nicht stimmen kann. Wie soll es mathematisch möglich sein, dass neue Solarstromanlagen, deren Vergütungstarife in den letzten drei Jahren um mehr als sechzig Prozent gesenkt wurden, die gleichzeitig immer mehr zum Eigenverbrauch dienen, statt einzuspeisen, und deren Zubau um die Hälfte eingebrochen ist, zu einem weiter exponentiellen Wachstum der EEG-Umlage führen? Darauf gibt es eine einfache Antwort: Gar nicht!"
Quelle: Tina Ternus in http://www.solarify.eu/2013/08/10/das-eeg-umlage-marchen/
Anmerkung: GALLEHR+PARTNER® ist eine in Deutschland eingetragene Marke von Sebastian Gallehr und bezieht sich auf die Leistungen des Unternehmernetzwerks, dem auch die Gallehr Sustainable Risk Management GmbH angehört.